
Die Natur ist meine Tankstelle
Heiko Hartmann wandert bei jedem Wetter – in Franken. Er sammelt die Touren für sich und für andere, die ihm auf seiner Seite Hinterindien folgen. Das tut ihm gut – und den Nachwanderern auch.
Der Kordigast ist ein Hinterindien-Ziel, so wie 120 andere in Franken auch. Doch der Kordigast ist unter den vielen Touren ein besonderer Ort, die Heiko Hartmann schon gelaufen ist und aufgezeichnet hat. Er ist eine Art Zentrum und ein Glücksfall. Er ist ein Allwetter- und Allzeitziel für die Sonntagnachmittage. Heiko Hartmann steht auf dem Plateau des Kordigast und deutet in die verschiedenen Himmelsrichtungen – hier die Plassenburg in Kulmbach, dort die Festung Rosenberg in Kronach und schließlich die Veste Coburg. „Ich sehe von hier die drei Burgen, die sich gegenseitig nicht sehen.“ Hierher kam Hartmann auch in der Pandemie, als der Ausgang beschränkt war. Jeder durfte sich maximal 15 Kilometer von seinem Wohnsitz entfernen. Höchstens zwei Haushalte durften sich treffen. „Ich bin ein absoluter Kartenfreak“, sagt Hartmann. Also tüftelte er, wo Schnittmengen mit den Radien seiner Freunde lagen. Heraus kam der Kordigast. Ein Glücksfall.
Hartmann sprudelt hier oben. Es ist Anfang Mai, der Wind ist kalt. Seine Haare wehen ihm ins Gesicht, ein Bürotag liegt hinter ihm. „So schlecht, dass ich auf dem Sofa sitzen bleibe, ist das Wetter wirklich sehr, sehr selten.“ Jeden Sonntag ist er in Franken unterwegs und seine Touren teilt er mit vielen Fotos auf der Hinterindien-Seite. Ein-, zweimal im Jahr kommt es vor, dass er drinnen bleibt. „Dann muss es aber wirklich eine Unwetterwarnung geben. Sonst laufe ich wirklich bei jedem Wetter, bei Eis, Schnee, Nebel, Dunkelheit.“ Er zeigt auf den Blessberg, sagt „867 Meter – auch ein Hinterindienziel“. Dort ist er bei hohem Schnee schon einmal fast stecken geblieben. So geht das im kompletten Panorama. Hier erinnert er sich an den Fuchs, den er gesehen hat, dort an den Vollmond oder den Sonnenuntergang über den Wolken. „Und das alles in Franken, man muss für solche Erlebnisse nicht in die Alpen und auch nicht in die Südsee. Ich bin durch die Wanderungen wirklich in ganz Franken zuhause“, sagt Hartmann.
4000 Klicks hatte seine Seite im April. Manche der Nutzer begegnen ihm dann auf seinen Touren – dann staunen sie, schlagen manchmal eigene, neue Routen vor. Er probiert das aus, wandert auch manche mit seinen Usern. „Wichtig ist für mich, ab und zu auch alleine zu laufen. Da können sich die Gedanken setzen – und ich komme als entspannter Mensch zurück nach Hause.“ Dafür braucht es wenig. Gute Schuhe und manchmal eine Flasche Wasser. „Wandern ist für mich Natur erleben ohne Brimborium – für mich ist die Natur eine Kraftquelle.“
Hartmann denkt in Bildern und er teilt die Bilder seiner Touren. Regelmäßig wiederholt er Routen und stellt neue Bilder ins Netz. „Manchmal ist das auch ein Muss. Im Frankenwald habe ich zum Beispiel geschrieben: Im Wald links abbiegen.“ Doch der Wald ist nicht mehr da. „Es gibt ihn einfach nicht mehr, weil der Klimawandel so massiv zuschlägt“, sagt Hartmann. Der Wassermangel, der Borkenkäfer, der Harvester, sie verändern Franken.
Hartmann hält die Veränderungen fest. Das hat auch für seine Wanderungen des Monats Auswirkungen. Wenn es richtig heiß ist, schlägt er Touren im Tal vor. „Andere sammeln Briefmarken oder irgendetwas anderes, ich sammle Wanderungen“, sagt er. Und aus dieser Sammlung setzt er immer neue Tipps zusammen, schaut, welche zu welchem Wetter passt. Mit seinen Freunden läuft er manchmal auch nachts, dann allerdings eher die kürzeren Touren.
„Jeder sagt, das klingt gut. Wir wandern mal wieder. Aber wer macht´s?“, fragt der Touren-Sammler. Sein Rezept für einen Ausflug in die Natur: Es muss einfach sein, für jeden erreichbar. So sind seine Tipps in der Regel zwischen sieben und 15 Kilometern lang. „Alles, was man an einem Sonntagnachmittag auch schafft und wofür man sich kurz entschlossen aufraffen kann.“ Hartmann hat Spaß am Wandern, und er hat Freude an den Beschreibungen. Er bietet Touren am fränkischen Kilimandscharo oder am fränkischen Zuckerhut an oder läuft entlang am fränkischen Fjord. Er lebt für seine Touren und Beschreibungen, die Nachwanderer sind begeistert: „Beim Lesen der Wegbeschreibung konnte ich mir auf den Meter genau vorstellen, auf welchem Abschnitt des Weges sie sich bezieht. Eine wirklich sehr gute, exakte, genaue und ausführliche Wegbeschreibung“, schreibt ihm beispielsweise der Turmwärter des Arzbergturms.
Allmählich wirkt der Kordigast. Das Sprudeln über all die Ziele in der Ferne wird weniger. Die Entschleunigung und Entspannung ist bei Heiko Hartmann angekommen. Er sieht das Nahe, fotografiert noch eine Schlüsselblume, freut sich über Schilder, denen man ihr Alter ansieht. Er ist seit 25 Jahren ein 25 Jahre alter Wanderer. Im Leben begegnen ihm viele Menschen, die hadern, zweifeln oder unter Winter-Depressionen leiden. „Ich habe das große Glück, positiv denken zu dürfen und gesund zu sein. Meine Tankstelle ist die Natur.“ Sie bringt ihn wieder runter – auch vom Kordigast.
Wandertipps von Heiko Hartmann auf www.hinterindien.de
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