
Weitwanderer Thorsten Hoyer läuft auf dem Grünen Band durch den Frankenwald.
Kein Geld und Neugier auf die Welt. So fing Thorsten Hoyer 1988 noch vor der deutschen Wiedervereinigung das Wandern an. „Ich habe meinen Rucksack gepackt und bin losgelaufen“, erinnert sich Hoyer. Inzwischen ist Wandern sein Beruf geworden. Thorsten Hoyer geht seinen Weg – Hoyer ist Tourismusexperte, Weitwanderer und Chefredakteur. Anfang Mai läuft er im Frankenwald am Grünen Band von Mödlareuth nach Mitwitz – 115 Kilometer in maximal 27 Stunden.
Das Grüne Band ist mehr als ein Wanderweg. Als ehemaliger Grenzstreifen zwischen der früheren DDR und der früheren Bundesrepublik ist er Geschichte pur. Vor fünf Jahren ist Hoyer das Grüne Band in seiner ganzen Länge gewandert. „Mich hat damals ein Zeitzeuge begleitet, der mit dem Ballon über diese Grenze geflohen ist. Mein Onkel hat mir erst kurz vorher von seiner Fluchtgeschichte erzählt. Die Grenze ist auch ein Teil meiner Geschichte. Und in Thüringen ist diese Grenze noch gut zu erkennen, die Gräben, der Kolonnenweg. Diese ewigen Betonplatten waren auch ein Grund, warum mir am Ende des Tages die Füße weh getan haben. Aber vielleicht muss es bei einer solchen Geschichte am Ende auch körperlich schmerzen“, erinnert sich Hoyer.
„Wichtig sind nur gute Schuhe“: Thorsten Hoyer unterwegs auf dem Grünen Band
Die Etappe im Frankenwald entspricht in etwa den ersten Etappen, die er damals lief. „Ich war vor fünf Jahren völlig euphorisch als es los ging zu der Tour über mehr als drei Wochen“, sagt Hoyer. Und doch war er am Ende des ersten Tages „ganz schön fertig“. Einen Teil haben die endlosen Kolonnenwege und der Beton beigetragen, ein anderer ist in seinem Kopf passiert. Wandern bewegt mehr als nur den Körper, es bewegt den Geist und schult die Sinne. „Beim Wandern sind unsere Sinne optimal synchronisiert. Hören, Sehen, Riechen, das Gefühl auf der Haut: Alles zusammen macht die Wahrnehmung aus. Wie nehme ich die Natur auf – und wie komme ich bei mir selber an? Und das war damals auf dieser Strecke wirklich extrem“, erzählt er.
Zu dem Lernen über den Ort und die Geschichte kommt immer auch ein Lernen über sich selbst. „In jungen Jahren habe ich wenig auf meinen Körper geachtet. Inzwischen ist das anders. Ich staune immer wieder über die Leistungsfähigkeit meines eigenen Körpers. So sind ja auch die Weitwanderungen mit bis zu 300 Kilometern am Stück entstanden. Ich wollte wissen, wie weit ich gehen kann“, so Hoyer. Dabei hat er auch Dinge gemacht, die seiner Gesundheit nicht so zuträglich waren – seit ein paar Jahren trinkt er keinen Alkohol mehr und ernährt sich vegetarisch. „Mein Körper macht das alles mit. Das weiß ich inzwischen. Ich kann jederzeit loslaufen“, sagt er.
Psychische Effekte und psychische Gesundheit werden immer wichtiger. „Da ist die Kraft der Natur und der Bewegung auch für mich nach all den Jahren und vielen tausend Kilometern immer wieder faszinierend.“ Wenn Hoyer in einem Projekt feststeckt und nicht weiterkommt, schnürt er seine Schuhe und läuft. „Danach habe ich manchmal eine Lösung, manchmal auch nur den Weg zu einer Lösung. Das ist doch das Interessante: Es gibt immer einen Weg“, sagt er.
Hoyers Weg hat immer wieder Wendungen genommen. Wie Wanderwege das eben auch tun. Fünf Jahre nachdem er zum ersten Mal seinen Rucksack für eine große Tour gepackt hatte, war er mit einem Freund in Grönland unterwegs. „Wir waren auf einer Fähre zwischen den Färöer Inseln. Es war August und schon Herbstwetter. Es war dunkel, kalt und es regnete. Am Nachbartisch saß ein Mann und schrieb – wir kamen ins Gespräch und so lernte ich einen Reisejournalisten aus Dänemark kennen.“ Nach diesen sechs Wochen hat er nur noch schwer in sein Berufsleben als Koch zurückgefunden. Er wollte nun selbst mit Reisen Geld verdienen. „Ich bin auf die Tourismusfachschule und habe als einer der Ersten den Prozess der Zertifizierungen von Wanderwegen als Touristiker begleitet und mich anschließend um die Vermarktung gekümmert. In dem Zusammenhang hatte ich dann mit einem Verlag zu tun. Die sagten zu mir dann, schreib doch selber mal. Mach einfach…“
Hoyer machte – und bekam seine erste Reportage glatt zurückgeschickt. Heute kann er darüber lachen. Er kaufte sich erstmal ein Buch über Reisejournalismus und hat gelernt Geschichten zu schreiben. Wieder hat er eine Biegung auf seinem Weg und Hürden darauf genommen. „Wege können steinig sein“, sagt er. Doch es lohnt sich ihnen dennoch zu folgen. Aus einzelnen Geschichten wurde eine Serie, heute ist er Chefredakteur des Wandermagazins. „Noch ein Funfact: 25 Jahre nach der Begegnung auf der Fähre war ich wieder dort – für eine Reportage über Wandern auf den Färöer. Das hat bis heute eine tiefe Bedeutung für mich.“
So wird er nicht nur von Mitwanderern auf dem Weg von Mödlitz nach Mitwitz begleitet, sondern auch von Geschichten. Auch wenn sich 115 Kilometer am Stück ziemlich verrückt anhören, sind Hoyer – zumindest inzwischen – Zahlen nicht mehr so wichtig. „Ich bin immer noch auf meinem Weg. Wichtig sind persönliche Ziele. Sehen Sie: Meine Mutter hat gerade eine Operation hinter sich. Die Freude, als sie ihre ersten drei Kilometer rund ums Dorf geschafft hat, war wahrscheinlich ähnlich wie bei mir nach 50 Kilometern. Zahlen bedeuten nichts. Es geht immer um den Menschen und seine Situation.“
Zum Wandern braucht Hoyer übrigens ziemlich wenig. Bequeme Kleidung zum Laufen hat jeder zuhause. „Wichtig sind nur gute Schuhe. Im Rucksack geht es um Wasser, kleines Erste-Hilfe-Set und Sonnenschutz“, so Hoyer. Mehr braucht es für eine Tageswanderung nicht. Wenn die Touren länger werden, bleibt er dennoch spartanisch: „Ich liebe es, mich mit Rucksack, Schlafsack und Zelt völlig frei zu fühlen.“
Diese Freiheit nimmt er sich – und weiß zugleich, dass sie nicht selbstverständlich ist. Auch das hat er auf seinen Wanderungen und Reisen erfahren: „Sehen Sie, ich war auch in Ländern unterwegs, wo Wandern nicht eine Friede-Freude-Eierkuchen-Freizeitbeschäftigung ist. Da geht es darum, sich und seine Familie in Sicherheit zu bringen oder aus wirtschaftlicher Not heraus zu wandern. Wenn ich dort mit den Menschen ins Gespräch komme, rückt sich so manches zurecht.“ Gerade jetzt sei die Zeit auch sein Gesicht für die Freiheit hinzuhalten. Hoyer tut das zum Beispiel Anfang Mai am Grünen Band. Und er möchte sein Gesicht hinhalten, sobald der Krieg in der Ukraine vorbei ist: „Bei den Wanderwegen habe ich die Karpaten in der Ukraine im Fokus. Das habe ich bei meinem Besuch dort im vergangenen Jahr versprochen: Wenn es wieder geht, möchte ich sie erwandern, kennenlernen und vorstellen.“
Thorsten Hoyer brach 1988 zu seiner ersten Rucksackreise auf. Er lernte Koch, trat zum Dienst an Bord eines U-Jagdbootes an, studierte Tourismusbetriebswirt und ist heute Wanderbuchautor, Reisejournalist, Chefredakteur, Jury-Mitglied und natürlich Wanderer. Er lief schon 300 Kilometer ohne zu schlafen oder durchquerte das Isländische Hochland. Aber nicht immer ging alles glatt, manchmal sind gerade auch die gescheiterten Unternehmungen besonders nachhaltig. Ob als Autor von zahlreichen Wanderführern und Reisereportagen, als Tourismusberater, Marken-Botschafter oder seit September 2018 als Chefredakteur des Wandermagazins – Antrieb ist seine Leidenschaft für Natur, Kultur und Menschen, die ihr „Ding“ machen. Thorsten Hoyer lebt mit seiner Frau und seiner Tochter in Erfurt.
Wanderbare Geschichte
Thorsten Hoyer wird am 2. und 3. Mai eine 115 km lange Nonstop-Wanderung anbieten. Die Strecke von Mödlareuth bis Mitwitz führt entlang der ehemaligen innerdeutschen Grenze und ist mit Start um 9 Uhr in maximal 27 Stunden zu absolvieren. Wer das Grüne Band entspannter angehen möchte, kann dies vom 1. bis 4. Oktober 2025 tun. Denn dann wandert Thorsten Hoyer die Strecke in umgekehrter Richtung. Die Wanderung endet nach vier Etappen beim 1. Thüringisch-Bayerischen Wandertag am Deutsch-Deutschen Museum in Mödlareuth.
Anmeldung unter: www.frankenwald-tourismus.de/thorsten-hoyer
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