Hier wohnt ein Andenken

Komm rein. Menschen aus der Region lassen uns eintreten in ihr Zuhause. Sie zeigen uns, wie sie wohnen und leben. Dieses Mal finden wir Erinnerungen an einen bemerkenswerten Mann.

„An Langeweile werde ich jedenfalls nicht sterben“, sagt Professor Gerhard Fehn mit Blick auf die alte Scheune, die er letztes Jahr ersteigert hat. Sie grenzt an ein ganz besonderes Fachwerkhaus in Schney. Nämlich an jenes mit den markanten türkisfarbenen Fensterläden. Wir sitzen im Garten, der Schneybach plätschert und der 84-Jährige beginnt zu erzählen. Anfang der 1980er-Jahre hat sein Schwiegervater das Haus von einem Landwirt aus dem Ort gekauft . Damals stand es vor dem Verfall und musste aufwendig saniert werden. Der Schriftzug „Renoviert 1984-1985 Hubert und Hilde Weber“ ist über dem Kellereingang in Sandstein gemeißelt. Dieses kleine Detail ist der Beginn einer großen Geschichte. Denn Hubert Weber war kein Unbekannter. „Mein Schwiegervater war Künstler mit Leib und Seele“, sagt Fehn. Als der Maler und Bildhauer 2013 im Alter von 92 Jahren verstarb, hinterließ er ein beeindruckendes Lebenswerk: Er gestaltete Kirchen, Schulen, und Denkmäler in ganz Oberfranken – Kunst am Bau war sein Schwerpunkt.

Das allein ist beeindruckend. Doch dann erzählt Fehn weiter: „Ihm fehlten beide Hände“. Er verlor sie bei einem Unfall auf dem Weg an die russische Front, da war er gerade einmal 21 Jahre alt. „Sein Vater setzte alles daran, seinem Sohn die bestmögliche Behandlung zukommen zu lassen. In der Berliner Charité passte ihm der weltberühmte Chirurg Ferdinand Sauerbruch in insgesamt sechzehn Operationen zwei Prothesen an – „ein medizinisches Wunderwerk zur damaligen Zeit“, so Fehn. Mit den künstlichen Händen lernte Weber noch in Behandlung zeichnen und beeindruckte Sauerbruch so sehr, dass dieser ihn zur Kunst ermutigte und ihm einen Platz an der Berliner Malschule verschafft e. Später studierte Weber bei Willi Baumeister und wurde zu einem gefragten Künstler.

Zudem engagierte er sich 20 Jahre als Kreisheimatpfleger für den Erhalt fränkischer Kulturgüter, wofür er mit der Kulturmedaille der Stadt Lichtenfels und mit dem Bundesverdienstkreuz am Bande ausgezeichnet wurde. Hier führt uns die Geschichte zurück in den Garten und zum Haus. Auch das rettet Weber in die Zukunft und bewahrte seinen Charakter. Die vorbildliche Sanierung erhielt 1997 den Baupreis „Goldener Ammonit“.

Heute leben hier sieben Menschen in sechs Wohnungen, die die Familie Fehn vermietet und verwaltet. Wie auch seinem Schwiegervater ist Gerhard Fehn am Erhalt von Baudenkmälern gelegen. Dabei blickt er selbst auf eine völlig andere Karriere zurück: „Ich bin Kaufmann und Ingenieur“. Lange Jahre war er Ressortleiter der Automobil-Sparte bei Rehau, später Professor für Betriebswirtschaft an der Hochschule Coburg. „Jetzt bin ich Bauer geworden“, sagt er und muss lachen beim Anblick der alten Scheune. Große Pläne hat er. Das Anwesen mit der Scheune möchte er renovieren und als Wohn- und vor allem Lagerraum nutzen, um mehr Platz zu schaffen im historischen Gebäude am Markplatz 28 in Lichtenfels für Kunst und Antiquitäten. Hier soll in Gedenken an Hubert Weber wieder eine öffentlich zugängliche Galerie mit seinen wichtigsten Werken entstehen.

„Das ist eine Herkules-Aufgabe“, weiß Fehn. „Und viel Zeit bleibt mir nicht mehr.“ Warum er sich im Alter noch so viel Arbeit auflädt? „Es macht mir Spaß. Und was wäre die Alternative? Früh um acht aufstehen und meine Frau fragen, was es zum Mittag gibt? Das ist keine Alternative.“ Energiegeladen und voller Schaffenskraft . Darin sind sich der Ingenieur Gerhard Fehn und der Künstler Hubert Weber dann doch sehr ähnlich.