Hier wohnt man im Nirgendwo

Die Steinbachsmühle bei Ludwigsstadt

„Das Haus sagt mir, was ich zu tun habe und was passt – ich muss nur hinhören“, sagt Otger Holleschek. Er sitzt im ehemaligen Stall der Steinbachsmühle an einem selbst geschreinerten Eichentisch. Seit sechs Jahren werkt und renoviert er hier, bereits 2022 bekam er vom Bezirk Oberfranken den Denkmalpreis. Wer hierher kommt, darf in eine andere Welt eintauchen. Das ist so gewollt. Holleschek vermietet die Steinbachsmühle an kleine Gruppen bis zu zwölf Leuten.

Familienfeiern oder Generationenfeste finden hier statt oder Freundestreff en oder Wandergruppen mieten sich die Mühle für ein paar Tage. Auch für Holleschek ist die Steinbachsmühle eine andere Welt. In München organisierte er Partys, zu denen auch mal 3.000 Gäste zum Feiern kamen – am Steinbach ist es ruhig, hier hat er seinen eigenen Takt, wenn er noch ein paar Stellen verputzt, sich um die Heizung kümmert oder noch ein Geländer schreinert. Holleschek hat schon so einen Hof in der Nähe von München und er suchte einen zweiten. „Als ich die Mühle das erste Mal sah, habe ich mich sofort verliebt“, sagt er.

Er beginnt, die Mühle herauszuputzen. Holleschek entscheidet sich für die kleine Lösung: Das Haus lassen wie es ist und behutsam zu neuem Leben erwecken – eine Generalsanierung hätte sein Budget um das Sechsfache überstiegen. Wenn er in das Haus hineinhört, hört er Geschichten aus vielen Jahrhunderten. Die erste Erwähnung liegt über 500 Jahre zurück. Auf der Wetterfahne steht die Jahreszahl 1698, auf der Schieferfassade 1868. Neben der Scheune und dem Gesindehaus fließt ein kleiner Bach mit großer Geschichte. Der Steinbach trieb nicht nur über Jahrhunderte die Mühle an, er war auch Grenzbach. Die Mühle stand in der Bundesrepublik, einen Schritt weiter war man in der DDR. „Bis in die 1970er-Jahre wurde hier noch Mehl gemahlen“, sagt Holleschek am Einlauf zum Mühlrad. Der Mühlbach liegt trocken, das Rad ist verschwunden. „Eine Mühle ohne Mühlrad ist keine Mühle“, findet Holleschek – also will er wieder ein Mühlrad bauen und damit Strom erzeugen. Im Inneren des Mühlhauses sind die eisernen Räder und Transmissionsriemen noch zu sehen, die Zuführungen und die Mühlen selbst.

Das ist der Teil, der noch darauf wartet, erweckt zu werden. Das Haupthaus hat Holleschek bereits zum Leben erweckt. 60 neue Fenster im alten Stil hat er schreinern lassen, Bäder eingebaut, die alten Böden restauriert und gestrichen. Die Möbel haben zu ihm gefunden. „Ich sehe sie irgendwo und weiß, das ist genau das, was ich für die Mühle brauche.“ Meist steckt dann noch eine Menge Arbeit drin. So verlängert Holleschek die Seitenteile der alten Bauernbetten, damit heute übliche Matratzen von zwei Meter Länge hinein passen. Er schreinert viel selber. Gerade baut er noch schnell ein Geländer für das Gesindehaus. Am nächsten Tag haben sich die ersten Gäste für den jüngsten Bauabschnitt angekündigt. „Ich bin Germanist – eigentlich hätte ich besser etwas mit meinen Händen machen sollen“, erzählt er. Das kann er jetzt ausgiebig tun. Um die Mühle herum liegen zwölf Hektar Land, die ihm gehören. Auch sein Wald ist vom Borkenkäfer befallen gewesen.

Die Hänge sind kahl, meterhoch stapeln sich die Stämme am Wegesrand. Die letzten Kilometer bis zu seiner Mühle führen über Privatstraßen und geschotterte Wege. Wenn ein Haus verlassen und alleine liegt, dann die Steinbachsmühle. Bis in die 1990er-Jahre lebte hier noch eine alte Frau. Als sie nicht mehr Fahrradfahren konnte, wurde sie vom Postboten versorgt. Ganz so einsam ist es heute nicht mehr. Es gibt WLAN in der Mühle – ohne Internet lässt sich heute nichts mehr vermieten. Und doch werkelt Otger Holleschek einsam in seiner Werkstatt vor sich hin. „Abends, wenn ich dann auf dem Sofa sitze und durch die Küche nach draußen schaue, weiß ich, dass das alles richtig ist. Da fühle ich mich wohl und angekommen“, sagt er.