
Für die einen ist sie eine der meist befahrenen Straßen Coburgs. Sie führt vom Marktplatzkommend durch das Steintor und ist damit Teil der alten Handelsstraße nach Kulmbach. Früher war sie oft die einzige Möglichkeit, trockenen Fußes nach Ketschendorf zu gelangen. Für die anderen eine lebenswerte Straße mit dem schönsten Vesteblick. Die Seidmannsdorfer Straße.
Wenn die Marktleute ihre Waren von Richtung Süden anliefern wollten, wurde es je nach Jahreszeit schwierig zu Fuß oder mit dem Handkarren, denn die Ketschengasse und die Ketschendorfer Straße waren oft nicht gut befahrbar. Zu sumpfig war das Gebiet hier, denn die Itz war noch nicht begradigt und floss in ihrem angestammten Bett Richtung Landkrankenhaus hinunter. Zwar versuchte man immer wieder durch Aufschüttungen den Weg höher zu legen. Aber nach der letzten Erhöhung im 18.Jahrhundert durch Herzog Ernst Friedrich bürgerte es sich mehr und mehr ein, den Weg „oben rum“ zu nehmen. Es war einfacher, über die Hohe Straße und die Seidmannsdorfer Straße zu fahren. Die war immer trocken und der kleine Umweg wurde dafür gerne in Kauf genommen.
Hier wohnte das Coburger Bürgertum – die Mittelschicht, würde man heute sagen: städtische Angestellte, Bauzeichner, Lehrer aber auch selbstständige Handwerker wie Korbmacher, Schreiner und Schneider. Bis 1923 gab es hier sogar Luftbäder auf Gartengrundstücken. Mehr oder weniger bekleidet konnte Mann oder Frau in abgetrennten Bereichen den ansonsten züchtig verhüllten Körper der Sonne aussetzen.
Hohe, blickdichte Zäune verhinderten unerwünschte Einblicke. Etliche Gartengrundstücke gibt es an dieser Coburger Magistrale. Darauf
teilweise schmuckvolle Gartenhäuser. Auf Höhe des Gymnasiums Alexandrinum entdeckt man noch einen Terrassenvorbau mit darunter liegendem Keller aus Sandsteinquadern. Hofapotheker Christian Heinrich Donauer ließ es 1827 errichten. Die Anlage galt mit seinem mediterran anmutenden Rundbogenportal zur damaligen Zeit als luxuriös. Schließlich hatte es der berühmte Karl Friedrich Schinkel geplant. Als der Berliner Architekt 1810 seinen Entwurf zum Umbau des Stadtschlosses Ehrenburg präsentierte, konnte ihn der Hofapotheker wohl dazu überreden, auch für ihn tätig zu werden.
In einem der markanten Doppelwohnhäuser im oberen Bereich des ehemaligen „Seytmannstorffer Wegs vorm Steyntor“ wohnt die vielseitige Coburger Künstlerin Anja Fleischmann. Sie hat nach fast 30-jähriger hingebungsvoller Arbeit als Erzieherin bei der Stadt Coburg auf ihr Herz gehört und einen Neustart gewagt. Schon immer hat sie sich mit der eigenen Kreativität auseinandergesetzt und diese auch in ihre pädagogische Arbeit eingebracht. Sie dichtet, gestaltet Gartenfahnen, schreibt gerade an einem Bilderbuch für Kinder und schlüpft manchmal in die Comedyfigur Donnatella aus Santa Lucia. Ein kreatives Multitalent, das sich am liebsten zurückzieht auf ihre Leseecke im 3.Stock mit spektakulärem, absolut unverbaubarem Vesteblick.
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