Waltec in Steinberg

„Glas hat einen extremen Charakter. Jeden Tag und bei jedem Wetter muss man den Werkstoff neu verstehen. Wir bilden das auf unseren Maschinen auf der ganzen Welt ab“, sagt Geschäftsführerin Britta Höfer.

Wenn Glas flüssig ist, ist es besonders faszinierend. „Du magst es, es zieht dich an, aber du kannst es nicht anfassen“, sagt Höfer. Sie war noch in der Grundschule, als sie zum ersten Mal eine Glashütte besuchte. Ihr Vater nahm sie mit und sie sah genau zu – und hörte den Lärm, spürte die Hitze. „Wenn ich eins wusste, dann, dass ich den Arbeitern mit dem heißen Glas niemals im Weg stehen darf.“ Die Begeisterung für Glas war entfacht. Britta Höfer studierte Maschinenbau und ist heute nach einem Management-Buyout die Geschäftsführerin von Waltec in Steinberg. Waltec ist in diesem Jahr 125 Jahre alt geworden und hat seinen Geburtstag mit allen Mitarbeitern gefeiert. Das Unternehmen hat schon Lokomotiven und Fräsmaschinen gebaut, Maschinen repariert, es ist enteignet, von der russischen Front evakuiert und rückübertragen worden.

Das besondere Verhältnis zu einem besonderen Werkstoff

Die Gegensätze, die Glas in seinen unterschiedlichen Zuständen offenbart, werden auch bei Waltec gelebt. „Wir sind lokal verwurzelt und arbeiten hier in einem familiären Rahmen“, sagt Höfer. Wenn ein großer Auftrag unterschrieben ist, bestellt sie schon mal einen Pizzawagen auf das Werksgelände für den gemeinsamen Start eines neuen Projekts. „Gleichzeitig sind wir von hier aus in der ganzen Welt unterwegs, um unsere Maschinen aufzubauen und in Betrieb zu nehmen.“ Die vergangenen Maschinen wurden nach China, Mexico und Indien geliefert. In Mexico steht die neue „W12“ von Waltec. Diese Maschine presst normale Limogläser – und doch ist sie für das Unternehmen ein riesiger Schritt nach vorne.

„Wir müssen technologisch immer führend sein“, sagt Britta Höfer. In der Vergangenheit hat Waltec Komponenten weiterentwickelt. So wurden pneumatische Steuerungen durch Servo-Elektromotoren ersetzt. „Das ist viel präziser und wir haben eine viel bessere Wiederholgenauigkeit – und wir können die Motoren digital ansteuern“, beschreibt Höfer. In der neuen „W12“ wurden nun alle Komponenten erstmals zu einer neuen Maschine zusammengesetzt.

„Wir haben mit einem weißen Blatt Papier angefangen und wirklich alles neu gedacht. Wir setzen die Prozesse alle in einer einzigen Maschine um“, erzählt Höfer. Das ist wichtig, denn der Glasindustrie fehlen auf der ganzen Welt Mitarbeiter, die in den Hütten Hitze, Lärm und Dreck trotzen. Das beschleunigt den Einsatz von Maschinen aus Wilhelmsthal, die mit dem Tropfen Glas beginnen, der aus der Schmelze kommt. Wie dick oder dünn ist er, wie lang oder kurz?

Die Mimose in der Branche ist der Werkstoff selbst. „Glas ist am wenigsten industrialisiert. Es ist wetterfühlig. Tagsüber 30 Grad, nachts ein Gewitter: Das bringt unheimliche Schwankungen in den Produktionsprozess und unterschiedliche Ergebnisse“, so Britta Höfer. Früher hatte der Arbeiter an der Schmelzwanne ein kleines, geheimes Büchlein, wie er bei welchen Bedingungen reagiert. Heute versuchen die Hersteller von Glas, dies mit Sensorik zu erreichen. Der nächste Schritt bei Waltec sind beispielsweise noch bessere Wärmebild-Kameras, um den Zustand der Mimose Glas möglichst gut zu kennen – und darauf reagieren zu können. In Regelkreisen überwachen die Maschinen sich nicht nur selbst, sondern sie lernen auch Zyklus für Zyklus sich an den momentanen Zustand des Glases anzupassen.

In Indien bekam Waltec den Auftrag für eine Fabrik auf der grünen Wiese. Weiße Reisschüsselchen waren das Ziel. „Hohe Stückzahlen prozesssicher aus der Maschine zu bekommen, das haben wir in Indien umgesetzt.“ Auch hier konnte das Team aus Wilhelmsthal den kompletten Ablauf planen. Das sind Höhepunkte, denn oft werden in bestehenden Anlagen einzelne Komponenten ausgetauscht. Benötigen die Reisschalen in Indien kleine Glastropfen, so ist das andere Ende der Skala in China erforderlich. Dort presst eine Waltec-Maschine Isolatoren für Hochspannungsleitungen. Ein Tropfen Glas hat dann bis zu 13 Kilo Gewicht. Auch in China fiel die Wahl auf den Maschinenbauer aus dem Frankenwald. „Gegenüber den alten Verfahren, die immer noch im Einsatz sind, sparen wir bis zu 80 Prozent Strom“, sagt Britta Höfer. In einer Branche, die einen immensen Energieverbrauch hat, kann das für die zukünftige Entwicklung entscheidend sein.

Viele Mitarbeiter scheinen Höfers Liebe für Glas zu teilen, sie mögen den Spagat zwischen Wilhelmsthal und der Welt. Die Verbundenheit mit dem Betrieb ist hoch. Wenn ein alter Geselle in Rente geht, braucht es die richtigen Teamplayer, die seinen Spirit weitertragen. Das ist Teil von Britta Höfers Führungsverantwortung: Die Menschen richtig einschätzen, sie richtig einsetzen, sie als Familienmitglieder wahrnehmen. Bis vor Kurzem wusste sie noch nicht, was Resilienz ist: „Ich musste das erstmal googlen.“ Es ist die Fähigkeit, auf Veränderungen und Probleme zu reagieren, indem man sein Verhalten anpasst. „Unser Team macht aus uns das resiliente Unternehmen schlechthin. Wir sind resilient.“