Gespräch mit einer Fischsommelière

Essen ist ein wahrhaft sinnliches Erlebnis. Wir essen am liebsten, was uns am besten schmeckt. Dabei verlassen wir uns auf unsere Erfahrung, kochen oder bestellen gerne das, was uns schon bei der bloßen Vorstellung daran das Wasser im Munde zusammenlaufen lässt. Gelegentlich aber wagen wir uns auch an etwas Neues, schicken die Geschmacksnerven auf Entdeckungsreise – wenn wir eingeladen sind, zu Gast in einem fremden Land oder uns jemand kulinarisch an die Hand nimmt. Wie zum Beispiel Katharina Krappmann.

Eigentlich hat Katharina Krappmann Germanistik studiert und auch lange Zeit in der Unternehmenskommunikation gearbeitet. Doch das Leben hatte einen anderen Plan: Sie heiratete einen Fischer – ihr Quereinstieg in eine völlig andere Branche. Seit 2021 führt sie nun schon mit ihrem Mann die Fischzucht Seehof. In diesem Jahr hat sie erfolgreich die Ausbildung zur Fischsommelière absolviert, ist so etwas wie eine Fischbotschafterin und Genussberaterin. Wie ein Weinsommelier versucht sie für jede Gelegenheit den besten Fisch zu empfehlen – entsprechend dem Anlass oder der Zubereitungsart. Dabei geht es über den kulinarischen Genuss hinaus auch darum, Wissen über Fisch und Meeresfrüchte, ihre Herkunft und Qualitäten vermitteln zu können. Das tut sie mit großer Hingabe. Zu unserer großen Freude war zwar auch ihr Germanistik-Studium nicht umsonst – sie schreibt regelmäßig für den LICHTENFELSER – dieses Mal aber haben wir sie interviewt über das sinnliche und gesunde Geschmackserlebnis Fisch.

 

 

 

DAS MAGAZIN: Was macht Fisch als Lebensmittel so besonders?

Krappmann: Fisch ist unglaublich vielseitig. Jede Fischart hat ihre ganz eigene Textur, ihren ganz eigenen Geschmack und lässt sich nach Lust und Laune kombinieren. Fisch passt zu jedem Anlass und zu jeder Küche – von bodenständig bis exklusiv. Er kann genauso gut Hausmannskost wie dekadenter Genuss sein. Noch dazu ist Fisch als Lebensmittel richtig gesund.

DAS MAGAZIN: Warum ist Fisch gesund?

Krappmann: Fisch ist ein Powerfood – voller lebenswichtiger Nährstoffe für unseren Stoffwechsel, unser Immunsystem und unsere Körperfunktionen. Fischfleisch steckt voller gutem Eiweiß und ist leicht verdaulich. Das liegt daran, dass Fische gegenüber Landlebewesen zwei große Vorteile besitzen: Sie sind Kaltblüter, sprich sie müssen keine Energie aufbringen, um ihre Körpertemperatur zu regulieren. Noch dazu überwinden sie die Schwerkraft. Statt aufrecht zu gehen und das eigene Gewicht mit sich zu schleppen, schweben sie im Wasser. Fisch hat entsprechend deutlich feinerer Muskelfasern und weniger Bindegewebe. Das macht ihn so bekömmlich. Fisch ist auch eine gute Quelle für wichtige Vitamine und Mineralstoffe wie Jod und Selen. Fettreiche Sorten wie Lachs oder Makrele liefern außerdem wertvolle Omega-3- Fettsäuren, die gut für Herz und Kreislauf sind.

DAS MAGAZIN: Fisch steht jedoch auch immer wieder in der Kritik. Zum Beispiel bei Lachs heißt es, dass er oft mit Antibiotika belastet sei. Stimmt das?

Krappmann: Das Vorurteil hält sich hartnäckig in den Medien. Stimmt aber für die meisten Lachse nicht, vor allem nicht für Lachs aus der EU. Hier gibt es sehr strenge Richtlinien. In den letzten Jahren hat sich enorm viel getan in der Lachsindustrie. Heute werden Lachse gegen Krankheitserreger geimpft. So konnte zum Beispiel in Norwegen der Antibiotikaeinsatz um 99 Prozent gesenkt werden. Anders sieht es zum Beispiel bei chilenischem Lachs aus. Hier gibt es für manche Erreger noch keinen passenden Impfstoff und es muss mit Antibiotika behandelt werden. Lachs aus Chile lehne ich persönlich ab.

DAS MAGAZIN: Wenn wir gleichermaßen auf Qualität und Nachhaltigkeit achten wollen, sollten wir dann nur Fisch mit Siegel kaufen, zum Beispiel MSC für gefangenen und ASC für gezüchteten Fisch?

Krappmann: Diese Siegel sind sicherlich ein guter Anhaltspunkt und ein erster Schritt hin zu nachhaltigem Fischfang und verantwortungsvoller Zucht. Was mich daran stört, ist, dass es vor allem ein Geschäftsmodell ist. Man muss es sich leisten können, sich zertifizieren zu lassen. Das können meist nur sehr große Fischereien. Kleine, handwerkliche Betriebe, die vielleicht im Vergleich mit den Großen sehr viel nachhaltiger unterwegs sind, bleiben außen vor. MSC und ASC sind ja außerdem längst nicht die einzigen Siegel auf dem Markt. Verbraucher und Verbraucherinnen werden mittlerweile überflutet von bunten Aufdrucken, die suggerieren, hier setzt sich einer für die gute Sache ein. Ich finde, das überfordert und sollte auch kritisch hinterfragt werden. Fischkauf ist für mich unbedingt Vertrauenssache. So versuche ich mit meinem Wissen die bestmögliche Vorauswahl zu treffen für Genuss mit gutem Gewissen – unabhängig von einem Siegel.

DAS MAGAZIN: Welcher Fisch sollte für Genuss mit gutem Gewissen auf dem Teller landen?

Krappmann: Der, dessen Weg aus dem Wasser auf den Teller so kurz wie möglich ist. Zugegeben, auch ich esse gerne mal ein saftiges Thunfischfilet oder freue mich über Dorade vom Grill. Ich bin aber absolut kein Freund von ständiger Verfügbarkeit von allem. Wenn wir bewusst genießen wollen, heißt das Zauberwort Regionalität. Der wohl nachhaltigste Speisefisch ist der Karpfen aus heimischer Teichwirtschaft.

DAS MAGAZIN: Warum ist das so?

Krappmann: Vom Teich auf den Teller – sämtliche Transportwege sind kurz. Damit punktet der Karpfen in Sachen CO2-Bilanz. Drei Jahre hat er Zeit und viel Platz zu wachsen – in naturnahen Teichen mit viel Naturnahrung. Wenn zugefüttert wird, dann in der Regel mit regionalem Getreide, das auf benachbarten Feldern wächst. Die Karpfenteiche sind außerdem Lebensraum für viele, auch seltene und geschützte, Tier- und Pflanzenarten.

DAS MAGAZIN: Bei Karpfen gehen die Meinungen auseinander, er ist für viele nicht unbedingt die erste Wahl. Was spricht für den Karpfen als Speisefisch?

Krappmann: Auch hier bringt Zeit den Geschmack, wie bei eigentlich bei allen guten Nahrungsmitteln. Durch das langsame Wachstum, die viele Bewegung und seine gesunde Ernährung hat Karpfen großartiges Fleisch. Fest und fleischig, außerdem vitamin- und proteinreich. Bei entsprechenden Haltungsbedingungen hat Karpfen übrigens ein absolut sauberes und feines Aroma. Und als heimischer Fisch, der bis kurz vor dem Verzehr noch gelebt hat, ist die Frische einmalig. Wer sich nicht gleich an einen ganzen Karpfen traut, kann ja erst einmal dem grätenfreien Filet eine Chance geben.

DAS MAGAZIN: Was hat es beim Karpfen eigentlich mit der sogenannten „R-Regel“ auf sich?

Krappmann: Karpfen gibt es im Handel von September bis April – also in den Monaten, in denen ein „R“ im Namen vorkommt. Das heißt nicht, dass Karpfen, zum Beispiel wenn man ihn angelt, nicht auch zu einer anderen Zeit gegessen werden kann, nur ist seine Fleischqualität im Winterhalbjahr am besten. Das hat mit dem Lebenszyklus der Karpfen zu tun. Im September erreicht er im dritten Jahr seine Marktgröße. Während er im Sommer ausgiebig frisst und wächst, geht er in der kalten Jahreszeit in den Ruhemodus über. Dann hat er besonders festes Fleisch. Ab April, wenn es wieder wärmer wird, will er weiter wachsen, sich fortpflanzen und frisst entsprechend wieder deutlich mehr. Der neue Zyklus beginnt.

DAS MAGAZIN: Woran erkenne ich beim Einkauf generell, dass Fisch frisch ist?

Krappmann: Am besten verlässt man sich auf seine Sinneseindrücke. Wie sieht der Fisch aus, wie fühlt er sich an, wie riecht er? Die Schuppen sollten fest anliegen und glänzen, die Augen klar und gewölbt sein, die Kiemen leuchtend rot mit klarer Kontur. Ein Fingerdruck soll keine bleibenden Spuren hinterlassen. Der Geruch sagt ebenfalls viel über die Qualität aus. Er darf nicht aufdringlich oder unangenehm sein. Fischfilet sollte glänzend und geschmeidig-elastisch sein. Wenn man mit dem Messerrücken leicht über das Fleisch streicht, sollten kaum Fasern am Messer hängen bleiben.

DAS MAGAZIN: Wie bereitet man Fisch am besten zu?

Krappmann: Gerne öfters auf jeden Fall. Wir Deutschen essen weltweit gesehen mit am wenigsten Fisch. Ich glaube, dass viele Menschen denken, Fisch und Meeresfrüchte zuzubereiten, sei besonders anspruchsvoll. Da vertrauen sie doch lieber dem Käpt’n aus der Werbung. Dabei ist die Zubereitung keine Kunst. Einfach machen. Ran an den Fisch. Es muss ja nicht gleich die aufwendige Bouillabaisse mit selbst hergestelltem Fischfond sein. Fisch darf ein Alltagsessen sein, das unkompliziert und schnell geht. Perfekt für Einsteiger sind portionierte Filets. Da braucht es nicht mehr als ein wenig Salz, Pfeffer, Zitrone und eine Pfanne. Und vielleicht ein Stück Butter. Butter geht immer.

DAS MAGAZIN: Was trinkt man am besten zu Fischgerichten?

Krappmann: Das, was schmeckt. Für mich gibt es da keine starren Regeln. Wein ist für mich persönlich immer ein guter Begleiter zu Fisch und Meeresfrüchten. Es muss aber nicht zwingend Weißwein sein, wie man vielleicht glauben mag. Da kommt es ganz auf die Zubereitungsart und die Beilagen an. Zu einem gedünsteten Fischfilet passt sicherlich eher ein leichter, mineralischer Weißwein. Bei einem Fisch vom Holzkohlegrill, deftig gewürzt mit Knoblauch und Kräutern, ist auch ein Rotwein ganz hervorragend. Sobald es salzig wird, schenke ich gerne Schaumwein ins Glas, der gleicht Salzigkeit nämlich aus. Manchmal geht aber auch nichts über ein schönes kühles Bier, zum Beispiel zum Matjesbrötchen. Und gegen Wasser hat der Fisch sowieso nichts einzuwenden.