Buchtipp #49

von Martin Vögele von der Buchhandlung Riemann

„Das Versprechen“ – Damon Galgut

Südafrika 1986: Die dreizehnjährige Amor, jüngstes Kind der Farmerfamilie Swart, wird Zeugin eines Versprechens, das ihre todkranke Mutter Rachel ihrem Vater Manie abnimmt. Manie soll nach Rachels Tod der schwarzen Haushälterin Salome das Haus schenken, in dem diese wohnt. Seit vielen Jahren leistet Salome der Familie treue Dienste und soll zum Dank das windschiefe Häuschen erhalten, das sich auf dem Grundstück der Swarts befindet.

Als Rachel stirbt, will sich ihr Mann nicht mehr an sein Versprechen erinnern, und so steht diese moralische Verpflichtung fortan nicht nur zwischen den verbliebenen Familienmitgliedern, sondern auch zwischen der Familie und Salome, da diese von dem Versprechen weiß.

Wie der Putz von den Wänden des einst herrschaftlichen Anwesens bröckelt, so zerfällt auch die Familie ohne die einende Kraft der Mutter. Amor muss zurück ins Internat, ihre Schwester Astrid heiratet früh und Anton, der älteste, bricht mit dem Vater und zieht weg. Und so steht die Geschichte der Familie Swart samt dem Versprechen an die schwarze Haushälterin sinnbildlich für den Zustand des ganzen Landes im Spätherbst der Apartheid.

Fortan sind es nur noch Trauerfälle, die die Familie wieder zusammenführen, und bei jeder Zusammenkunft vergiften mühsam unterdrückte Zerwürfnisse, Erbstreitereien und enttäuschende Lebensbilanzen die Atmosphäre, die zudem durch das offene Versprechen belastet ist. Mit Sprachwucht hat Damon Galgut in „Das Versprechen“ ein Gesellschaftsporträt verfasst, das sich über dreißig Jahre des politischen Umbruchs in Südafrika erstreckt und folgerichtig im vergangenen November mit dem Booker Prize ausgezeichnet wurde, der bedeutendsten britischen Literaturauszeichnung.

Der Roman entfaltet durch seine erzählerische Kraft einen unwiderstehlichen Sog. Regelmäßig wechselt Galgut die Erzählperspektive. So springt er vom erzählenden Beobachter in die Gedanken der verschiedenen Figuren, um sich im nächsten Satz direkt an seine Leserschaft zu wenden.

„Das Versprechen“ ist ein ganz besonderes, ungewöhnliches Leseerlebnis, das lange nachhallt.

 

INHALTSANGABE

„Das Versprechen“ erzählt vom zunehmenden Zerfall einer weißen südafrikanischen Familie, die auf einer Farm außerhalb Pretorias lebt. Die Swarts versammeln sich zur Beerdigung ihrer Mutter Rachel, die mit vierzig an Krebs stirbt. Die jüngere Generation, Anton und Amor, verabscheuen alles, wofür die Familie steht – nicht zuletzt das gescheiterte Versprechen an die schwarze Frau, die ihr ganzes Leben für sie gearbeitet hat. Nach jahrelangem Dienst wurde Salome ein eigenes Haus, eigenes Land versprochen … doch irgendwie bleibt dieses Versprechen mit jedem Jahrzehnt, das vergeht, unerfüllt.

 

DAMON GALGUT

… 1963 in Pretoria geboren, zählt zu den renommiertesten Autoren Südafrikas. Sein jüngster Roman „Das Versprechen“ wurde mit dem Booker Preis 2021 ausgezeichnet, einem der bedeutendsten internationalen Literaturpreise. Bereits zwei Mal stand Galgut mit „Der gute Doktor“ (2005) und „In fremden Räumen“ (2010) auf der Shortlist für diesen Preis. Auch seine Romane „Der Betrüger“ und „Arktischer Sommer“ wurden für zahlreiche Literaturpreise nominiert. Sein literarisches Werk erscheint in sechzehn Sprachen. Damon Galgut lebt in Kapstadt.

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